BGH stellt fest: Werbung für Erwerb eines Plagiats ist eine Urheberrechtsverletzung – BGH: Urteile vom 5. November 2015 – I ZR 91/11, I ZR 76/11, I ZR 88/13
Nach einer Vorlage zum EUGH hält nun auch der BGH inländische Werbung für den Erwerb eines ausländisch hergestellten Plagiats für eine Urheberrechtsverletzung. Rechteinhaber können sich nun effizient vor deutschen Gerichten zur Wehr setzen.
Falls Ihr Produkt im Ausland plagiiert und in Deutschland beworben wird, können Sie uns gerne ansprechen. Wir übernehmen für Sie die Durchsetzung Ihrer Schutzrechte.
Im Einzelnen:
1. Hintergrund
„Marcel Breuer“, „Ludwig Mies van der Rohe“ und „Wilhelm Wagenfeld“ sowie „Al di Meola“ waren die Keywords der Verfahren vor dem BGH. Und sie sind Keywords für einen Markt, der im Ausland bislang noch boomt: Replikate. Die Klägerin im ersten Verfahren hat die ausschließlichen und urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen der beiden Designer Breuer und Wagenfeld. Die zweite Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Wilhelm Wagenfeld. Während die dritte Klägerin die Rechte des Künstlers „Al di Meola“ vertrat.
Die beiden ersten Beklagten warben deutschlandweit jeweils auf Ihren Internetseiten und in deutschlandweit erscheinenden Printmedien für den Kauf ihrer Möbel bzw. ihrer Leuchten in Italien.
Typischerweise vertreiben die Anbieter in diesem Segment die Replikate über deutschsprachige Webseiten, sind aber selbst in Italien ansässig und stellen die Imitate auch dort her.
Der Vertrag mit den Kunden kommt laut den Anbieter-AGB in Italien zustande. Das Produkt wird dort auch übergeben, und zwar wahlweise dem Kunden selbst oder einem Spediteur, welchen der Anbieter auch vermitteln kann. “Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt).”, lautet eine typische AGB-Klausel eines italienischen Anbieters.
Hierin sahen die Lizenzinhaber eine Verletzung ihres inländischen urheberrechtlichen Verbreitungsrechts gemäß § 17 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) und nahmen die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz in Anspruch. Die Instanzgerichte hatten den Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Dem hat sich der BGH nun angeschlossen.
Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30.11.2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD „Al Di Meola – In Tokio (Live)” eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht autorisiert worden, sogenannte „Schwarzpressung“.
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Bekl. im Auftrag des Künstlers ab. Sie war zu Recht der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG.
Somit entschied der BGH über eine spannende Frage nach einer Vorlage an den EUGH: Begeht der eine Urheberrechtsverletzung, der im Inland für Plagiate wirbt, die er selbst im Ausland zum Erwerb anbietet?
Der EUGH hatte vorher (EuGH, Urteil vom 13.5.2015 – C-516/13) qua Vorlage des BGH über die Frage zu entscheiden, ob das Verbreitungsrecht nach Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten. Falls diese Frage zu bejahen war, stellten sich zwei weitere Fragen, und zwar zum einen, ob das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, sondern auch Werbemaßnahmen erfasst, und zum anderen die Frage, ob das Verbreitungsrecht auch dann verletzt ist, wenn es auf Grund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt.
Rechtlicher Hintergrund ist der sogenannte „Anwendungsvorrang“ der Richtlinie 2001/29/EG. Deutsches Urheberrecht muss nach EU-Recht im Sinne dieser Richtlinie ausgelegt werden, damit der europäische Binnenmarkt harmonisiert werden kann.
2. Entscheidung
Der BGH hat die Revision in allen drei Verfahren jetzt zurückgewiesen.
Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sei die Bestimmung des § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen.
Der EuGH hat auf Vorlage des BGH entschieden, Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werks auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es wegen dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anrege.
Der EuGH bejaht die Vorlagefrage unter Heranziehung von Artikel 6 I WCT, in dessen Licht Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG auszulegen sei, und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Rechtsprechung. Demnach fielen auch dem eigentlichen Verkauf eines geschützten Gegenstandes vorangehende Handlungen wie die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots oder eine zu nichts verpflichtende Werbung unter den Verbreitungsbegriff. Für die Feststellung einer Verletzung sei es unerheblich, ob auf die Werbung der Übergang des Eigentums an dem geschützten Werk oder seinen Vervielfältigungsstücken folge.
Entsprechendes gelte für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Absatz 2 Satz 1 UrhG (Artikel 9 Absatz 1 lit. a RL 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger zu verbreiten, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist.
Der Gerichtshof habe zwar im Urteil „Peek & Cloppenburg“ (GRUR 2008, 604 ff.) entschieden, dass der Verbreitungsbegriff im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG eine Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand voraussetze. Gleichwohl könne eine Verletzung des Verbreitungsrechts festgestellt werden, sobald den Verbrauchern in dem Mitgliedstaat, in dem das Werk geschützt ist, durch gezielte Werbung angeboten wird, das Eigentum zu erwerben.
3. Folgen
Mit diesen Entscheidungen wird der Boom der Replikate im Ausland nun endlich eingedämmt.
Die Entscheidung des EUGH bestätigt (endlich) die Rechtsprechungspraxis des BGH, wonach das Anbieten als selbstständige Verbreitungshandlung zu qualifizieren ist – und zwar unabhängig davon, ob es anschließend zu einem Erwerb des rechtwidrig beworbenen Plagiats kommt (BGH – „Wagenfeld-Leuchte“). Das Urteil komplementiert zudem die nach der „Peek & Cloppenburg“-Entscheidung erfolgte Präzisierung des Verbreitungsrechts in den Entscheidungen „Donner“ und „Blomqvist“.
Bei einem grenzüberschreitenden Verkauf können Handlungen, die zu einer Verbreitung an die Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der RL 2001/29/EG führen, in mehreren Mitgliedstaaten stattfinden. Deren Unrechtsgehalt muss jeweils nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaates bestimmt werden, in dem die Handlung vorgenommen wird bzw. Auswirkungen zeitigt. Der von den Anbietern von Plagiaten reflexartig vorgetragenen und auf die Ausführungen des EuGH in Sachen „Peek & Cloppenburg“ gestützten Rechtsauffassung, eine Verbreitungshandlung liege nur im Falle einer erfolgten rechtswidrigen Eigentumsübertragung vor, erteilt der Gerichtshof eine klare (und längst überfällige) Absage. Demnach ist und bleibt es für das urheberrechtlich relevante inländische Anbieten unerheblich, ob es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erwerb des beworbenen Gegenstandes kommt und eine damit einhergehende Eigentumsübertragung im schutzrechtsfreien Ausland (hier: Italien) erfolgt.
Zusammengefasst: Ein tatsächlicher Erwerb der plagiierten Gegenstände ist nicht entscheidend. Schon die Werbung für solche Gegenstände kann geahndet werden.
Wir prüfen gerne, ob Ihre Werke urheberrechtswidrig beworben und im Ausland zum Erwerb angeboten werden und unterbreiten bei Bedarf und Notwendigkeit Lösungsvorschläge und setzen Ihre Rechte durch.
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