Bundesgerichtshof entscheidet mit Urteil vom 12.05.2016 zum Aktenzeichen I ZR 48/15 “Everytime we touch“ zu Fragen bezüglich der sekundären Darlegungslast und Verjährung des Schadensersatzanspruchs im Wege der Lizenzanalogie

Der Bundesgerichtshof hat einige viel diskutierte Fragestellungen bei Urheberrechtsverletzungen um Internet zugunsten der Rechteinhaber beantwortet.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass sich der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2. UrhG, § 852 BGB auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff erlangten erstreckt. Dieser Anspruch verjährt nach zehn Jahren. Der Wert dieses Anspruches berechnet sich mittels einer fiktiven Lizenz.

Bezüglich der Frage der sekundären Darlegungslast hat das Gericht endgültig klargestellt, dass der Anschlussinhaber nicht nur eine theoretische Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen vortragen muss. Es kommt vielmehr auf den Verletzungszeitpunkt an. Der Anschlussinhaber kommt seiner sekundären Darlegungslast somit immer dann nach, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Dabei stellte das Gericht klar, dass die Beweiswürdigung alleine dem Tatrichter obliegt.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2016 zum Az.: I ZR 48/15 – „Everytime we touch“
Den Urteilen des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Nach entsprechender Ermittlung teilte der entsprechende Provider mit, dass die IP-Adresse von der eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, dem Internetanschluss des Beklagten zuzuordnen ist. Der Beklagte trug dann im Rahmen der sekundären Darlegungslast vor. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil aufgehoben und der Klage weites gehend stattgegeben. Die Revision des Beklagten wurde, abgesehen von einer Änderung des Kostentenors, zurückgewiesen.

Bemerkenswert an dem Urteil ist, dass das Gericht für die Schadensersatzansprüche eine Verjährungsfrist von zehn Jahren annimmt. Der rechtlichen Auffassung, dass sowohl der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, als auch der Schadensersatzanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verjähren, wurde damit eine klare Absage erteilt. Dies ist insbesondere deswegen beachtlich, da die überwiegende Instanzenrechtsprechung von einer Verjährungsfrist von drei Jahren ausgegangen ist. Der Bundesgerichtshof sieht § 102 S.2 UrhG i.V.m. § 852 BGB als einschlägig an.

Zu begrüßen ist die Klarstellung des Bundesgerichtshofs, dass der Anschlussinhaber nicht nur allgemein vortragen muss. Diese bisherige Unsicherheit führte regelmäßig dazu, dass gerichtsbezirksübergreifend die Anforderung an die sekundäre Darlegungslast stark divergierten. Nunmehr ist klar, dass der Anschlussinhaber nachforschen und konkret vortragen muss. Zudem gibt die Formulierung des Bundesgerichtshofs bereits einige Vorgaben vor, was von einem ordnungsgemäßen Vortrag zu erwarten ist.

Der Bundesgerichtshof führte in dem Verfahren I ZR 48/15 – „Everytime we touch“ aus:
„Entgegen der Auffassung der Revision kommt ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungszeitpunkt an (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 – Tauschbörse III). Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast zur Frage der Internetnutzung durch Dritte nicht genügt hat.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe keine nachvollziehbare Erklärung dazu abgegeben, wie es seinen Kindern überhaupt hätte gelingen können, von ihm und seiner Ehefrau unbemerkt Filesharing zu betreiben. Er habe keine Angaben zu seiner eigenen Internetnutzung gemacht. Er habe weder vorgetragen, dass auf dem Rechner keine Filesharing-Software installiert gewesen sei, noch dargelegt, dass die streitgegenständlichen Dateien auf dem Rechner nicht vorhanden gewesen seien, obgleich er nach Erhalt der Abmahnung angekündigt habe, die Sache zu prüfen.
Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht schon dadurch, dass er die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet. Er hat hinsichtlich derjenigen Personen, die selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen, im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anzustellen und mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (vgl. BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 42 – Tauschbörse III; allgemein zur sekundären Darlegungslast BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31). Im Rahmen der den Beklagten treffenden sekundären Darlegungslast bedarf es daher der Mitteilung derjenigen Umstände, aus denen darauf geschlossen werden kann, dass die fragliche Verletzungshandlung tatsächlich von einem Dritten mit alleiniger Tatherrschaft begangen worden sein kann. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass der Vortrag des Beklagten diesen Anforderungen nicht genügte.“


Gemäß § 102 Satz 2 UrhG findet § 852 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat. Danach ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung des Urheberrechts entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 Satz 1 BGB). Dieser Anspruch verjährt nach § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an und ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen den Schaden auslösenden Ereignis an (BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 148/13, GRUR 2015, 780 Rn. 28 = WRP 2015, 972 – Motorradteile). Diese Verjährungsfrist war nicht abgelaufen, als die frühere Klägerin zu 2 den auf einen Eingriff in ihre Verwertungsrechte an dem Titel “Everytime we touch” gestützten Schadensersatzanspruch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Juni 2014 erhoben und die Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB damit herbeigeführt hat (MünchKomm.BGB/Grothe aaO § 204 Rn. 27).

Der auf die Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen einer Datei mit dem Musiktitel gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG gestützte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG ist nicht verjährt, weil er im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB auf die Herausgabe einer durch die Verletzung dieses Rechts erlangten ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 Rn. 36 bis 41 = WRP 2012, 950 – Bochumer Weihnachtsmarkt; BGH, GRUR 2015, 780 Rn. 31 – Motorradteile).
Mithin konnte die frühere Klägerin zu 2 die geforderte Lizenzgebühr gemäß § 102 Satz 2 UrhG, § 852 Satz 1 BGB auch noch nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs herausverlangen.“

BGH, Urteil vom 12.05.2016 im Volltext, I ZR 48/15 –„Everytime we touch“