Bundesverfassungsgericht bestätigt hohe Anforderungen an den Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungslast!

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt mit Beschlüssen vom 23.09.2016 zu den Az.: 2 BvR 1797/15 und 2 BvR 2193/15, dass an den im Rahmen der sekundären Darlegungslast erbrachten Vortrag hohe Anforderungen zu stellen sind.

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass nur plausibler Vortrag den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast entsprechen kann. Fehlen konkrete Darlegungen zur Möglichkeit, dass ein unbefugt handelnder Dritter Täter der Rechtsverletzung sein könnte, haftet der Anschlussinhaber für die begangene Urheberrechtsverletzung selbst. Zudem reiche es nicht aus eine mögliche Tatbegehung durch die Familienangehörigen vage und allgemein vorzutragen. Es bedarf vielmehr substantiierter Darlegungen zum konkreten Nutzungsverhalten seiner Familienmitglieder zum Tatzeitpunkt oder zum Vorhandensein von Filesharing-Software auf dem Computer, beziehungsweise zu auffindbaren Spuren des Filmes auf dem Computer.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.09.2016 zu dem Az.: 2 BvR 1797/15 –„Sofern-Sofern“
Dem Beschluss des BVerfG lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Nach entsprechender Ermittlung teilte der Provider mit, dass die IP-Adresse von der eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, dem Internetanschluss des Beklagten zuzuordnen ist. Der Beklagte trug daraufhin vor, dass er seinen Internetanschluss seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern zur Nutzung überlassen hat. Er selbst sei zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause gewesen. Seine Familienmitglieder hätten Zugriff auf das Internet gehabt. Diese habe er belehrt, dass es strengstens untersagt sei, über den Anschluss illegale Dateien aus Tauschbörsen zu laden. Er habe alle Familienangehörigen hinsichtlich des streitgegenständlichen Vorfalls befragt. Sie hätten bestritten, für den Vorfall verantwortlich zu sein. Auch habe er versucht, zu überprüfen, ob sich Spuren des Films auf dem Computer befänden, dabei aber nichts finden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beklagte, dass das Landgericht, trotz grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits, die Revision nicht zugelassen habe.

Zutreffend nimmt das Gericht eine „Sofern-Sofern“ These an. Es stellt damit eindeutig klar, dass der Anschlussinhaber nicht allgemein und unergiebig vortragen kann. Denn was der Beklagte vorträgt, muss auch plausibel sein.

Das Gericht stellte fest, dass sofern der Vortrag des Beklagten dahingehend zu verstehen sein, dass er sich die Aussagen seiner Familienangehörigen zu eigen mache und damit vortrage, weder er noch seine Familienangehörigen hätten die Rechtsverletzung begangen, nicht plausibel sei und damit der sekundären Darlegungslast nicht genüge. Sofern der Vortrag des Beschwerdeführers dahingehend zu verstehen sei, dass es zwar theoretisch möglich sei, dass seine Ehefrau oder eine der Töchter die Rechtsverletzung begangen habe, er hiervon jedoch nicht ausgehe, weil er ihrer Auskunft glaube, aber nicht mit Sicherheit wisse, ob die Auskunft zutreffend sei, genüge der Vortrag der sekundären Darlegungslast ebenfalls nicht.

Dies sei zum einen widersprüchlich und zum anderen ergebe sich aus diesem Vortrag gerade nicht. Dass auch eine andere Person als Täter in Frage komme. Es hätte vielmehr weiteren Vortrages bedurft, ob und warum seine Familienangehörigen, obwohl sie die Rechtsverletzung nicht zugestanden hätten und er ihnen guten Glauben schenken wollte, als Täter in Betracht kämen. Es ist somit nicht ausreichend, sich mit einer pauschalen Auskunft zu begnügen, die im Widerspruch zur feststehenden Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss und zu seiner eigenen Einlassung, dass er es nicht gewesen ist, steht.

Im Ergebnis bekräftigt das Bundesverfassungsgericht die von den Rechteinhabern vertretene Auffassung, dass der Vortrag des Anschlussinhabers belastbar sein muss. Dies ist nachvollziehbar. Denn ist die Rechtsverletzung erst nachgewiesen, kann es nicht zulässig sein, dass der Anschlussinhaber sich mit bewusst vagen und nichtssagenden Einlassungen exkulpieren kann. Die „Sofern-Sofern“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfte hier eine grundlegende Änderung herbeiführen. Es bleibt abzusehen, wie die Amts- und Landgerichte diese Rechtsprechung umsetzen werden.

Das Bundesverfassungsgericht führte in dem Verfahren zum Az.: 2 BvR 1797/15 u.a. aus:
„ …
Vorliegend habe der Beschwerdeführer vorgetragen, zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause gewesen zu sein. Seine Familienmitglieder hätten Zugriff auf das Internet gehabt. Diese habe er belehrt, dass es strengstens untersagt sei, über den Anschluss illegale Dateien aus Tauschbörsen zu laden. Er habe alle Familienangehörigen hinsichtlich des streitgegenständlichen Vorfalls befragt. Sie hätten bestritten, für den Vorfall verantwortlich zu sein. Auch habe er versucht, zu überprüfen, ob sich Spuren des Films auf dem Computer befänden, dabei aber nichts finden können.

a) Das Landgericht München I hat festgestellt, dass der Vortrag des Beschwerdeführers, sofern er dahingehend zu verstehen sei, dass er sich die Aussagen seiner Familienangehörigen zu eigen mache und damit vortrage, weder er noch seine Familienangehörigen hätten die Rechtsverletzung begangen, nicht plausibel sei und damit der sekundären Darlegungslast nicht genüge. Sofern der Vortrag des Beschwerdeführers dahingehend zu verstehen sei, dass es zwar theoretisch möglich sei, dass seine Ehefrau oder eine der Töchter die Rechtsverletzung begangen habe, er hiervon jedoch nicht ausgehe, weil er ihrer Auskunft glaube, aber nicht mit Sicherheit wisse, ob die Auskunft zutreffend sei, genüge der Vortrag der sekundären Darlegungslast ebenfalls nicht. Denn dieser sei zum einen widersprüchlich und zum anderen ergebe sich hieraus gerade nicht, dass auch eine andere Person als der Anschlussinhaber als Täter in Betracht komme. Um der sekundären Darlegungslast zu genügen, hätte der Beschwerdeführer vielmehr konkret darlegen müssen, ob und warum seine Ehefrau oder eine seiner Töchter dennoch – obwohl sie die Rechtsverletzung nicht zugestanden hätten und er ihnen guten Glauben schenken wolle – als Täter in Betracht kämen. Der Beschwerdeführer habe sich insoweit mit der pauschalen Auskunft seiner Familienangehörigen begnügt, die im Widerspruch zur feststehenden Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss und zu seiner eigenen Einlassung, dass er es nicht gewesen sei, stehe. Er habe vorgetragen, seinen Computer überprüft und darauf keine Spuren des Films gefunden zu haben. Es fehle jeglicher Vortrag dazu, inwiefern der Computer dahingehend überprüft worden sei, ob sich auf ihm eine Software für ein Tauschbörsenprogramm befunden habe.
b) Auch der Bundesgerichtshof geht in seiner die sekundäre Darlegungslast konkretisierenden Entscheidung vom 11. Juni 2015 davon aus, dass ein Vortrag des Anschlussinhabers, zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung habe keine andere Person seinen Internetanschluss benutzen können, die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft nicht widerlege (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>). Er erteilte dem Einwand des dortigen Anschlussinhabers, dass in den Fällen, in denen der Internetanschluss von mehreren Personen im Haushalt genutzt werde, kein Raum für eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers bestehe, ausdrücklich eine Absage und stellte dabei klar, dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>). Er hat zudem ausdrücklich festgestellt, dass es im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht ausreichend sei, dass der Anschlussinhaber nur die eigene Täterschaft in Abrede stelle und pauschal die bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behaupte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 ).
c) Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren lediglich seine eigene Täterschaft in Abrede gestellt und entweder gleichzeitig auch die Täterschaft seiner Familienmitglieder bestritten und damit (konkludent) abstrakt auf einen trotz der Verschlüsselung des Anschlusses mit einem Passwort möglichen Zugriff eines Dritten verwiesen oder sich – unter (konkludentem) Bestreiten des Wahrheitsgehalts von deren Aussage – auf die generell bestehende Zugriffsmöglichkeit der in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen berufen. Es fehlen jedoch konkrete Darlegungen zur Möglichkeit, dass ein unbefugt handelnder Dritter Täter der Rechtsverletzung sein könnte. Zudem wurde die Möglichkeit einer Tatbegehung durch die Familienangehörigen des Beschwerdeführers – trotz der unternommenen und mitgeteilten Nachforschungen – nicht über die allgemein bestehende Möglichkeit einer Internetnutzung durch diese hinaus konkretisiert. Hierzu hätte es Darlegungen des Beschwerdeführers zum konkreten Nutzungsverhalten seiner Familienmitglieder zum Tatzeitpunkt oder zum Vorhandensein von Filesharing-Software auf dem Computer beziehungsweise zu auffindbaren Spuren des Films auf dem Computer bedurft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>).“

BVerfG, Beschluss vom 23.09.2016 im Volltext, – 2 BvR 1797/15
BVerfG, Beschluss vom 23.09.2016 im Volltext, – 2 BvR 2193/15