Cannabis in der Strafverfolgung nach dem 01.04.2024
Nimrod Rechtsanwälte beleuchten die Strafbarkeit von Cannabis nach dem 01.04.2024.
Mit dem In-Kraft-Treten des KCanG ist der Anbau und Besitz von Konsum-Cannabis für Erwachsene grundsätzlich erlaubt. Und trotzdem fragen sich viele, ob und wenn ja, wieviel Cannabis man denn nun bei sich führen darf. Was ist strafbar? Was ist straffrei?
Neben den neuen Fragen zur Umsetzung und Auslegung des Gesetzes sorgen auch die jeweiligen Bußgeld-Kataloge der Bundesländer für Unklarheiten. Eine Übersicht veröffentlichen wir in den kommenden Tagen.
In letzter Zeit gab es jedoch noch weitere Gründe, welche zur weiteren Verunsicherung
bei den Bürgern gesorgt hat. Problematisch daran ist, dass diese Verunsicherung durch
Aussagen von Seiten staatlicher Organe hervorgerufen wurde.
Für Aufsehen sorgte ein Beschluss des BGH, wann eine „nicht geringen Menge“ zur Strafverschärfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG führt.
Der BGH entschied sich für den strengsten Wert von 7,5 THC aus dem Jahre 1984. Das obwohl der Gesetzgeber in der Begründung aufgrund neuer Risikobewertung von einem höheren Wert ausgeht. Mit
diesem alten THC-Grenzwert ist die Schwelle von der einfachen Strafbarkeit bis zum besonders schweren Fall kaum noch vorhanden, da ein besonders schwerer Fall schon ab 60,1 g Eigenbesitz erreicht sein könnte. Zudem ging der BGH zunächst von einer Eigenbesitzgrenze von 50 g aus und korrigierte diesen dann kurzerhand nach.
Bereits zuvor hatten die Staatsanwaltschaften Freiburg, Lörrach und Waldshut-Tiengen sowie das Polizeipräsidium Freiburg in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 10.04.2024 bekanntgegeben, dass das derzeit sich noch im Umlauf befindende Cannabis nicht aus legalen Quellen stammen kann. Argumentiert wurde damit, dass der private Anbau erst seitdem 01.04. möglich ist und in dieser bisher kurzen Zeit aufgrund der erforderlichen Wachstums- und Trocknungsphase noch keine konsumfähigen
Erzeugnisse gewonnen werden können.
Daraus wurde gefolgert, dass Personen ihren Besitz von illegalen Verkäufern haben müssen und daher verpflichtet sind, im Verfahren gegen die unbekannten Verkäufer als Zeugen auszusagen und wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Diese Pressemitteilung ist in vieler Hinsicht bedenklich. Richtig ist, dass der private Anbau erst seit dem 01.04. erlaubt und nur der Besitz und Erwerb von bestimmten Mengen nicht mehr strafbar ist, vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG.
Allerdings kann schon seit 2017 medizinisches Cannabis auf Rezept legal erworben werden. Fraglich ist auch, wie es rechtlich zu bewerten ist, wenn zwar vor dem 01.04. (noch illegal) angebaut wurde aber erst jetzt geerntet wird. Sofern die erlaubte Menge von drei Pflanzen nicht überschritten ist, dürfte die Strafbarkeit aufgrund der Amnestie- Regel gemäß Art. 313 EGStGB entfallen. Danach sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG), die nun aufgrund des KCanG erlaubt sind, nicht mehr strafbar oder mit Bußgeld bedroht.
Das sich im Umlauf befinden de Cannabis ist also nicht zwangsläufig illegal, so dass schon kein Anfangsverdacht besteht. Damit ist aber auch nicht jeder, der im Besitz von Cannabis ist, ein potentieller Zeuge. Selbst wenn der Besitz illegal wäre, bestünde eine Pflicht zum Erscheinen und zur wahrheitsgemäßen Aussage nur vor de m Richter oder der Staatsanwaltschaft, vgl. 163 Abs. 3 StPO. Bei der Polizei nur dann, wenn die Ladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt. Und selbst dann kommen für den Zeugen noch das Zeugnisverweigerungsrecht sowie das Auskunftsverweigerungsrecht in
Betracht, vgl. §§ 52,55 StPO. Danach sind Angaben nicht verpflichtend, wenn Angehörige betroffen sind oder man sich selbst in die Gefahr der Verfolgung einer Straftat bringen würde.
Man kann daher nur mutmaßen, was die Staatsanwaltschaften dazu veranlasst hat, eine Pressemitteilung zu veröffentlichen , die Hinweise auf alte und neue gesetzliche Normen mit eigenen, zum Teil ungenauen und falschen rechtlichen Schlussfolgerungen kombiniert.
Es entsteht der Eindruck, dass trotz erfolgter (Teil-)Legalisierung, die Bürger durch sogenanntes Nudging dazu angehalten werden soll, auch weiterhin lieber nicht in der Öffentlichkeit Cannabis zu konsumieren und damit auf ihr Recht zu verzichten. Während Sachkundige oder gut informierte Laien sich davon eher weniger beeinflussen lassen werden, sorgt es bei anderen für Unsicherheit und Angst vor rechtlichen Konsequenzen.
Ein solches Verhalten ist allerdings besorgniserregend. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es mögliche Straftaten aufzuklären und wahrscheinliche Straftaten zu verfolgen, nicht aber öffentlich kundzutun Strafverfolgung auf Basis von zweifelhaften Annahmen zu betreiben.
Als Privatperson darf man gegen das KCanG sein und dies auch öffentlich vertreten. Die
Ermittlungsbehörden sind hingegen auch bei der Pressearbeit zu Neutralität und Mäßigung angehalten. Pressearbeit ist nur legitim, wenn sie sich an den Grundsätzen des § 160 StPO und Art. 20 III GG hält, also off en, ausgewogen und nicht vorverurteilend erfolgt.
Spätestens, wenn die ersten legalen angebauten Pflanzen geerntet werden können, dürften auch die Ermittlungsbehörden nur noch bei hinreichenden Tatsachen davon ausgehen, dass das Cannabis von einer illegalen Quelle kommt.
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