LG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2016, Az.: 18 O 7/16- zur Frage, wann ein Widerrufsrecht bei dem Erwerb digitaler Güter erlischt

Das LG Karlsruhe musste sich im Rahmen mit der spannenden Frage auseinander setzen, wann das gesetzliche Widerrufsrecht von zwei Wochen bei dem Erwerb digitaler Güter erlischt. Digitale Güter können etwa in-Game “Währungen”  oder auch bestimmte virtuelle Gegenstände innerhalb des Spiels, etwa besondere Fahrzeuge oder Waffen, sein.

Beklagt war der Betreiber einer online Spiels. Er bot seine digitalen Güter wie folgt an:

Die Beklagte bietet das kostenlose Online-Rollenspiel „NosTale“ an. Die Refinanzierung des Computerspiels erfolgt über den optionalen Erwerb von sog. NosTalern, durch welche diverse Spielelemente erworben werden können. Diese Spielelemente müssen die Kunden mit „NosTalern“ bezahlen, die entweder im Spiel erarbeitet oder in verschiedener Anzahl käuflich erworben werden können. Der Kauf der „NosTaler“ wird innerhalb des Spiels über einen Online-Shop abgewickelt. Auf der maßgeblichen Internetseite steht links neben dem Button „Jetzt kaufen“ folgender Text:

„Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ stimme ich der sofortigen Vertragsausführung durch G… zu und weiß, dass dadurch mein Widerrufsrecht erlischt.“

Neben diesem Text befindet sich ein Fragezeichen. Wenn der Kunde auf dieses Zeichen klickt, wird folgender Text eingeblendet.

„Zum 13. Juni 2014 gab es eine Gesetzesänderung. Diese hat zur Folge, dass Kunden für digitale Dienste oder Inhalte ihr Geld zurückverlangen können, obwohl diese von Ihnen bereits genutzt oder verbraucht wurden. Dadurch hat der Missbrauch von Kauf digitaler Güter erheblich zugenommen. Um den wirtschaftlichen Schaden von uns und unseren Kunden abzuwenden, müssen wir dich leider darum bitten, beim Einkauf in unserem Shop auf dein Widerrufsrecht zu verzichten. Ohne diese Maßnahme wären in absehbarer Zeit gezwungen, unsere Preise zu erhöhen. Dies liegt jedoch weder in unserem noch in deinem Interesse. Wir bitten dich um dein Verständnis.“

Wenn ein Kunde auf den Button „Jetzt kaufen“ klickt, wird die ausgewählte Bezahlmethode überprüft und belastet. Ist die Bezahlung erfolgreich, wird dem Spieler die entsprechende Anzahl an „NosTalern“ zur Verfügung gestellt, d.h. es wird in einer Datenbank bei der Beklagten die entsprechende Anzahl an „NosTalern“ gespeichert, die dem Spieler zustehen. Im Spiel wird die in der Datenbank vermerkte Anzahl an „NosTalern“ in Form kleiner symbolisierte Goldmünzen angezeigt. Dabei steht neben den Goldmünzen die jeweilige Anzahl der für den Spieler verfügbaren „NosTaler“.

Das Gericht verbot diese Praxis und verurteilte den Betreiber des Spiels zu folgendem:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit dem Spiel „NosTale“ im Bestellprozess der „NosTaler“ zu erklären:

„Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ stimme ich der sofortigen Vertragsausführung durch G. zu und weiß, dass dadurch mein Widerrufsrecht erlischt“

und

„Zum 13. Juni 2014 gab es eine Gesetzesänderung. Diese hat zur Folge, dass Kunden für digitale Dienste oder Inhalte ihr Geld zurückverlangen können, obwohl diese von Ihnen bereits genutzt oder verbraucht wurden. Dadurch hat der Missbrauch beim Kauf digitaler Güter erheblich zu genommen. Um den wirtschaftlichen Schaden von uns und unseren Kunden abzuwenden, müssen wir dich leider darum bitten, beim Einkauf in unserem Shop auf dein Widerrufsrecht zu verzichten. Ohne diese Maßnahme wären wir in absehbarer Zeit gezwungen, unsere Preise zu erhöhen. Dies liegt jedoch weder in unserem noch in deinem Interesse. Wir bitten dich um dein Verständnis.““.

Es begründete diese Entscheidung wie folgt:

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die geltend gemachte Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG.I.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt, da er unstreitig vom Bundesamt für Justiz in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist.II.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte verstößt mit ihren Hinweisen für den Erwerb von „NosTalern“ beim Onlinespiel „NosTale“ gegen § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG i.V.m. § 356 Abs. 5 BGB, da sie irreführende geschäftliche Handlungen über die Rechte der Verbraucher enthalten.

Bei den Hinweisen der Beklagten handelt es sich um geschäftliche Handlungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Beklagte bietet die „NosTaler“ im Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen ihres Unternehmens an.

Die geschäftlichen Handlungen sind irreführend, da sie unwahre Angaben über das Widerrufsrecht der Verbraucher bei digitalen Inhalten gemäß § 356 Abs. 5 BGB enthalten.

§ 356 Abs. 5 BGB ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Damit steht sogleich fest, dass § 356 Abs. 4 BGB nicht einschlägig ist, da es sich bei § 356 Abs. 5 BGB um die speziellere Regelung bei digitalen Inhalten handelt (vgl. Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 356 BGB Rn. 50).

Die von der Beklagten angebotenen „NosTaler“ sind digitale Inhalte. Darunter fallen nach der Legaldefinition in § 312 f Abs. 3 BGB nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden.

Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass es sich bei den „NosTalern“ nicht um Daten handelt. Durch den Kauf der „NosTaler“ erwirbt der Verbraucher nicht nur einen Anspruch gegen die Beklagte, sondern die Spielwährung verkörpert einen Informationsgehalt, nämlich einen bestimmten Wert innerhalb des Computerspiels „NosTale“, der in einer Datenbank hinterlegt ist und im Rahmen des Spiels jederzeit abgerufen und eingesetzt werden kann.

Bei den „NosTalern“ handelt es sich um digitale Inhalte i.S. der Legaldefinition in § 312 f Abs. 3 BGB. Nach dem Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (im Folgenden: Verbraucherrechte-Richtlinie) sowie der Gesetzesbegründung zu § 312 f Abs. 3 BGB (BT-Drucks 17/12637, S. 55) fallen unter digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form hergestellt oder bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte. Die „NosTaler“ sind als Bestandteil in das Computerspiel „NosTale“ integriert und damit selbst digitale Inhalte. Sie erweitern die Handlungs- und Spielmöglichkeiten des Nutzers des Computerspiels und können aus diesem nicht sinnvollerweise herausgelöst werden, weil sie nicht auf andere Spiele oder Spieler übertragen werden können.

Schließlich scheitert die Anwendbarkeit von § 356 Abs. 5 BGB nicht daran, dass es an einem erforderlichen Herunterladen fehlt. Hierbei übersieht der Kläger, dass es nach dem Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechte-Richtlinie gleichgültig ist, ob auf die Daten durch Herunterladen oder in sonstiger Weise zugegriffen wird.

Der Hinweis der Beklagten, dass mit dem Klick auf „Jetzt kaufen“ der sofortigen Vertragsausführung zugestimmt wird und der Kunde weiß, dass dadurch sein Widerrufsrecht erlischt, verstößt gegen § 356 Abs. 5 BGB, da diese Vorschrift in zeitlicher Hinsicht zunächst ein Entstehen des Widerrufsrecht voraussetzt.

§ 356 Abs. 5 BGB regelt das Erlöschen des Widerrufsrecht bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten. Ein Recht kann aber nur Erlöschen, wenn es vorher bestanden hat. Nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist, so dass zu diesem Zeitpunkt das Widerrufsrecht entsteht, hier also mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Verbrauchers auf das Angebot der Beklagten zum Kauf von „NosTalern“. Dann kann aber nicht gleichzeitig mit einer Erklärung der Vertrag zustande kommen und das Widerrufsrecht erlöschen, sondern es ist eine zeitlich spätere gesonderte Erklärung des Verbrauchers über die Bestätigung der Kenntnis über den Verlust des Widerrufsrechts i.S. von § 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB erforderlich (ebenso: Erman/Koch, BGB, 14. Aufl., § 356 Rn. 17; Buchmann, Kommunikation & Recht 2014, 621, 624).

Die Einwände der Beklagten gegen diese rechtliche Beurteilung vermögen nicht zu überzeugen.

Der Wortlaut des § 356 Abs. 5 BGB regelt – wie erwähnt – das Erlöschen des Widerrufsrechts und zwar mit Beginn der Ausführung des Vertrags durch den Unternehmer, also zeitlich nach dem Vertragsschluss. Auch in § 356 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 BGB wird darauf abgestellt, dass die Ausführung des Vertrags vor Ablauf des Widerrufsrechts beginnt und der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert, was ebenfalls darauf hinweist, dass der Gesetzgeber von einer zunächst begonnen Widerrufsfrist ausgeht und der Verbraucher durch seine ausdrückliche Zustimmung sein bestehendes Widerrufsrecht verliert.

Zu einer abweichenden Beurteilung gelangt man auch nicht über eine richtlinienkonforme Auslegung. Art. 16 m) der Verbraucherrechte-Richtlinie bestimmt, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert und Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechte-Richtlinie spricht davon, dass der Verbraucher für derartige Verträge ein Widerrufsrecht haben sollte, es sei den er hat während der Widerrufsfrist dem Beginn der Vertragserfüllung zugestimmt und zur Kenntnis genommen, dass er infolgedessen sein Widerrufsrecht verliert. Damit wird aber in der Richtlinie ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass zunächst ein Widerrufsrecht bestehen muss und die Erklärung über den Vertragsabschluss und den Verlust des Widerrufsrechts nicht zusammenfallen können.

Nicht zu überzeugen vermag die weitere Begründung der Beklagten, dass das Erfordernis einer Zustimmung nach Vertragsabschluss nicht im Sinne des Verbrauchers wäre. § 356 Abs. 5 BGB soll zumindest auch dem Schutz des Verbrauchers vor übereilten Entscheidungen dienen. Durch die zwei Stufen – zunächst Vertragsabschluss und dann Zustimmung – wird die Vorschrift diesem Zweck gerecht (ebenso: Eman/Koch a.a.O.). Der Verbraucher ist keiner erhöhten Drucksituation ausgesetzt, jedenfalls keiner, die sich von sonstigen Fernabsatzverträgen, unterscheidet. Indem er durch eine gesonderte Erklärung bestätigen muss, dass er sein Widerrufsrecht verliert, wird er vielmehr vor Übereilung bewahrt, die in einem laufenden Online-Spiel durchaus naheliegt, wenn anders in diesem Moment ein höherer Spielelevel oder eine besondere Spielaktion oder -ausstattung nicht erreicht werden kann.

Auch die Vorschrift des § 271 Abs. 1 BGB spricht nicht für die rechtliche Beurteilung der Beklagten. Zwar kann nach dieser Fälligkeitsvorschrift der Gläubiger die Leistung sofort verlangen. Dies gilt aber nur dann, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt ist noch sich aus den Umständen ergibt. Es obliegt daher den Vertragsparteien eine Regelung zu treffen, dass die Beklagte vor Ablauf des Widerrufsrechts nicht leisten muss, falls der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht nicht verzichtet, soweit man dies, was nach Auffassung des Gerichts naheliegt, nicht ohnehin aus den Umständen entnehmen muss (vgl. auch: Spindler/Schuster a.a.O. Rn.53).

Die von der Beklagten zitierten Literaturstellen führen ebenfalls zu keiner abweichenden Beurteilung. Weder Fritsche (Münchener Kommentar, BGB, 7.Aufl., § 356 Rn. 37) noch Schütz/Gostomzyk (MMR 2007, 7, 11) befassen sich mit der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass Vertragsabschluss und Erlöschen des Widerrufsrechts durch eine Erklärung des Verbrauchers herbeigeführt werden und damit die Widerrufsfrist gar nicht in Lauf gesetzt wurde. Vielmehr erläutert Fritsche, dass maßgeblich der Beginn der Ausführung des Vertrages durch den Unternehmer ist, also der Beginn der Übermittlung von Daten (Münchener Kommentar a.a.O., Rn. 43), so dass auch er kein Erlöschen des Widerrufsrechts bereits durch die auf Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers annimmt.

Da bereits aus den genannten zeitlichen Gründen der Hinweis der Beklagten unzutreffend und damit irreführend i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG ist, kommt es auf die weitere zwischen den Parteien streitige Frage, ob aus sonstigen Gründen eine gesonderte ausdrückliche Erklärung über die Zustimmung des Verbrauchers erforderlich ist, nicht an.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 UWG liegt ebenfalls vor, denn es ist bereits zu einer Wettbewerbsverletzung seitens der Beklagten gekommen ist und sie sich zu Unrecht geweigert hat, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Klage ist insgesamt begründet, da es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt. Der hinter dem Fragezeichen hinterlegte Text erläutert das Erlöschen des Widerrufs und bezieht sich auf den Text des Buttons „Jetzt kaufen“. Dieser ist unzutreffend und damit irreführend, so dass hiervon auch der Erläuterungstext betroffen ist.”.

Das Urteil ist  hier abrufbar.