OLG Hamburg bestätigt: Datenschutzverstöße sind abmahnfähig

Ein weiteres Gericht hat eine aktuell eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob Verstöße gegen Datenschutzvorschriften von Wettbewerben abgemahnt werden können. Zuvor hatten das LG Bochum und das LG Würzburg hier sehr unterschiedliche Standpunkte Vertreten. Während die Würzburger Richter eine auf Datenschutz gestützte einstweilige Verfügung erlassen haben, wurde ein ähnlicher Antrag in Bochum ablehnt wurde.

Das OLG Hamburg( Urteil vom 25.10.2018  Az.: 3 U 66/17) hat eine Entscheidung bestätigt, in der das LG Hamburg (Urteil vom 02.03.2017, AZ.: 327 O 148/16) urteilte, dass es sich bei Datenschutzvorschriften um Markverhaltensregeln handelt, die bei Verstößen durch Mitwerber abgemahnt werden können.

Da im Wettbewerbsrecht (noch) der fliegende Gerichtsstand gilt, die Mitwerber sich bei Verstößen im Internet also aussuchen, vor welchen Gericht sie klagen könne, scheint die Frage zunächst eindeutig beantwortet: Datenschutzverstöße sind abmahnfähig.

Doch so einfach ist es dann doch nicht. Wie das Aktenzeichen des LG Hamburg zeigt, datiert der Fall aus 2016. Dass Datenschutzverstöße vor Einführung der DSGVO abmahnwürdig sind, war in Hamburg schon lange gesicherte Rechtsprechung.

So stützt das LG Hamburg seine Entscheidung auf das BDSG alte Fassung und führt aus:

“Bei einem Verstoß gegen §§ 4, 4a, 28 Abs. 7 BDSG handelt es sich deshalb nicht nur um eine Missachtung einer allein überindividuelle Belange des freien Wettbewerbs regelnden Vorschrift. Denn die §§ 4, 4a, 28 Abs. 7 BDSG sollen ausweislich der genannten Erwägungsgründe der Datenschutzrichtlinie jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers schützen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Vorschrift dient mithin auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber und ist damit eine Regelung im Sinne des § 3a UWG, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a Rn. 1.66).”

Das LG Hamburg argumentiert daher in die gleiche Richtung, wie das LG Würzburg . Nicht berücksichtigt haben das LG Hamburg  und auch das LG Würzburgjedoch die Besonderheiten der DSGVO. Nach Auffassung des LG Bochum werden die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die DSGVO in den Artikeln 77-84 DSGVO abschließend geregelt. Mitbewerber sind danach nicht anspruchsberechtigt.

Dies sieht das OLG Hamburg jedoch anders. So führt das Gericht aus:

“Die DS-RL enthält erkennbar kein abschließendes Sanktionssystem, das einer zivilrechtlich begründeten Verfolgung von Verletzungen der Datenschutzvorschriften durch Mitbewerber nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG entgegenstünde. Trotz der mit der Richtlinie beabsichtigten Vollharmonisierung (…) ist mit der Richtlinie kein abschließendes Rechtsbehelfssystem festgelegt worden ist. ” (OLG Hamburg, Urteil vom 25.10.2018 Az: 3 u 66/17)

Und weiter heißt es:

“Die Klägerin ist aber auch unter der Geltung der DS-GVO klagebefugt. Der Senat ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht der Ansicht, dass die DS-GVO ein abgeschlossenes Sanktionssystem enthält, das die Verfolgung datenschutzrechtlicher Verletzungshandlungen auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage durch Mitbewerber ausschlösse. Diese insbesondere auch von Köhler (ZD 2018, 337 ders. in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, § 3 a Rn. 1.40 a, 1.74 b; ebenso: Barth, WRP 2018, 790 (791); Holländer in: BeckOK Datenschutzrecht, 25. Edition 1. August 2018, Art. 84 Rn. 3.2) vertretene Auffassung, ist auf Kritik gestoßen.

Sie basiert vor allem darauf, dass die Art. 77-79 DS-GVO der „betroffenen Person“, also derjenigen Person, deren Daten verarbeitet werden (vgl. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO), Rechtsbehelfe zur Seite stellt und die betroffene Person nach Art. 80 Abs. 1 der Verordnung berechtigt ist, Organisationen zu beauftragen, die in ihrem Namen die genannten Rechte wahrnimmt. Die Öffnungsklausel des Art. 80 Abs. 2 der Verordnung sehe nur vor, dass die Mitgliedsstaaten diesen Organisationen auch das Recht einräumen können, ohne einen Auftrag der betroffenen Person eine Rechtsverletzung zu verfolgen. Dem entnimmt die Beklagte mit Köhler, dass Wettbewerbern die Befugnis, eigene Rechte geltend machen können, nicht zukommt.

Dagegen wird zur Recht eingewendet, dass Art. 80 Abs. 2 DS-GVO die Frage der Verbandsklage regeln will, aber keinen abschließenden Charakter wegen der Rechtsdurchsetzung durch andere hat (Wolff, ZD 2018, 248, 252; ebenso Schreiber, GRUR-Prax 2018, 371 Laoutoumai/Hoppe, K & R 2018, 533, 534 ff.). Dafür spricht auch, dass zwar in den Artt. 77-79 DS-GVO Rechtsbehelfe betroffener Personen (Artt. 77, 78 Abs. 2, 79 DS-GVO) oder jeder anderen Person (Art. 78 Abs. 1 DS-GVO) geregelt sind, insoweit aber stets unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen (Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) bzw. eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen (Artt. 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 DS-GVO) Rechtsbehelfs. Und Art. 82 DS-GVO spricht wiederum „jeder Person“, die wegen des Verstoßes gegen die Verordnung einen Schaden erlitten hat, Schadensersatzansprüche zu. Auch das lässt klar erkennen, dass die DS-GVO die Verfolgung von datenschutzrechtlichen Verletzungshandlungen durch andere als die „betroffenen Personen“, deren Daten verarbeitet werden (vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO), nicht ausschließt.

Schließlich heißt es in Art. 84 Abs. 1 DS-GVO, dass die Mitgliedstaaten die Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung – insbesondere für Verstöße, die keiner Geldbuße gemäß Artikel 83 unterliegen – festlegen und alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Auch das spricht dafür, dass die Verordnung nur einen Mindeststandard an Sanktionen vorsieht (ebenso Wolff, ZD 2018, 248, 251 m.w.N.).

Der Umstand, dass die Vorschrift mit „Sanktionen“ überschrieben ist, spricht entgegen Köhler (ZD 2018, 337, 338) nicht schon gegen diese Feststellung (vgl. Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 84 Rn. 2). Gerade im Kontext der Vorschrift des Art. 77 DS-GVO, die für jede betroffene Person auch anderweitige – also nicht in der DS-GVO selbst geregelte – gerichtliche Rechtsbehelfe offen lässt, sowie der Vorschrift des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, die nicht nur der betroffenen Person, sondern jeder Person ein Recht auf Schadensersatz einräumt, wird deutlich, dass die DS-GVO wegen anderweitiger, in der Verordnung selbst nicht geregelter Rechtsbehelfe und Sanktionen offen gestaltet ist.”(OLG Hamburg, Urteil vom 25.10.2018 Az: 3 u 66/17)

Damit steht fest, dass Verstöße gegen die DSGVO durch Wettberber abgemahnt werden könne. Andere Gerichte mögen sich vielleicht anders positionieren. Aufgrund des fliegenden Gerichtsstandes werden Abmahner aber zumindest bei Verletzungen im Internet künftig immer das LG Hamburg anrufen können.