Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erlässt Zuständigkeitsverordnung (KCanWV) nach § 2 Abs. 4 KCanG zu Konsumcannabis Forschungsprojekten- Auswirkungen auf die angeblichen Modellprojekte der Sanity Group?

In einer Pressemitteilung vom 11.12.2024 hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bekannt gegeben, eine Zuständigkeitsverordnung für die Genehmigung, Durchführung und Überwachung von Forschungsprojekten zu Konsumcannabis erlassen zu haben.

Die finale Ausarbeitung liegt uns -stand 12.12.2024- nicht vor und ist auch im Internet nicht abrufbar. Es ist davon auszugehen, dass diese wortgleich mit dem Verordnungsentwurf vom 03.04.2024 ist.

§ 1 Zuständige Behörde

Zuständig für die Erteilung der Erlaubnis nach § 2 Absatz 4 Satz 1 sowie für die Überwachung und für die Durchführung der in § 2 Absatz 4 in den Sätzen 3 bis 5 genannten Regelungen des Konsumcannabisgesetzes ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

§ 2 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Inhalt des Entwurfs deckt sich mit der Pressemitteilung. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) soll für die Erteilung, Durchführung und Überwachung von Forschungsprojekten zu Konsumcannabis (!) zuständig sein. Für Forschungsprojekte zu Medizinalcannabis ist weiterhin das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig.

Faktisch ändert sich durch die Verordnung materiell nichts, einzig die Zuständigkeit ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) übertragen worden.

Interessant in Bezug zu den Forschungsprojekten zum Konsumcannabis ist die Pressemitteilung der Sanity Group. Abrufbar unter: https://sanitygroup.com/2024/12/11/sanity-group-plant-wissenschaftliche-cannabis-modellprojekte-mit-zwei-berliner-bezirken/.

Die Sanity Group gibt bekannt, dass Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam mit Hannes Rehfeldt, CDU-Bezirksstadtrat für Soziales und Gesundheit Neukölln, eine Absichtserklärung zur Durchführung eines Modellprojekts mit der Sanity Group unterzeichnet haben.

Der Absichtserklärung kommt zwar kein Rechtsbindungswillen zu. Dennoch ist diese -aus unserer Perspektive- kritisch zu bewerten. Trägt diese doch den Beigeschmack einer Bevorzugung der Sanity Group für die Durchführung eines Modellprojekts in den jeweiligen Bezirken. Dies würde dem vergaberechtlichen Neutralitätsgrundsatz zuwiderlaufen.

Die Frage, ob ein Vergabeverfahren nach der VgV durchgeführt werden muss, ist -aufgrund des nicht bekannten Inhalts der Absichtserklärung und der fehlenden gesetzlichen Regelungen – nicht ohne weiteres zu beantworten, kann aber dahingehend offenbleiben, da den Bezirken zumindest eine regionale marktbeherrschende Stellung für die „Durchführung der Modelprojekten“ zugeschrieben werden kann.  Dies führt dazu, dass auch ohne Vergabeverfahren Grundsätze der Gleichbehandlung bei der Auswahl der Unternehmen beachtet werden müssen. Diese ergeben sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Gem. § 19 Abs. 1 GWB ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein Unternehmen verboten. Schadensersatzansprüche der Konkurrenten stehen im Raum.

In § 19 Abs. 2 GWB finden sich Regelbeispiele, wann der der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere anzunehmen ist. Hier einschlägig dürft § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB sein. Demnach liegt Missbrauch insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Form einer unbilligen Behinderung und Diskriminierung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (früher § 20 Abs. 1 GWB) vor, wenn bei der Vermietung von für Schilderpräger geeigneten, nur in begrenzter Zahl bereitstehenden Räumen in unmittelbarer Nähe zu einer Kfz-Zulassungsstelle die Auswahl unter den in Frage kommenden Interessenten nicht unter angemessenen und fairen Bedingungen vorgenommen wird. Der Vermieter solcher Flächen hat eine – aus dem Standortvorteil des Schilderprägers resultierende – überragende Marktstellung, da im selben Gebäude wie die Zulassungsstelle befindliche und erst recht innerhalb des Gebäudes an diese angrenzende Ladenlokale aus Sicht von Schilderprägern, die den bei Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle anfallenden Bedarf an amtlichen Kfz-Schildern decken möchten, allen außerhalb des Gebäudes liegenden und für die potenziellen Kunden schwieriger zu erreichenden Ladenlokalen vorzuziehen sind. Diese Marktbeherrschung des – öffentlichen wie privaten – Vermieters hat zum einen zur Folge, dass er den aktuellen Bedarf im Wege der Ausschreibung ermitteln muss, zum anderen, dass er entsprechende Gewerbeflächen nicht für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre fest vermieten darf, um nicht den Marktzutritt für aktuelle und potenzielle Wettbewerber des Mieters zu blockieren“ (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2003 – KZR 39/99, GRUR 2003, 809, 810 [juris Rn. 11 ff.] mwN – Konkurrenzschutz für Schilderpräger).

Dies gilt umso mehr für öffentliche Stellen, sind diese nach Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG zur Gleichbehandlung verpflichtet.

Wir sehen die Ungleichbehandlung darin, dass anderen Unternehmen als die Sanity Group voraussichtlich die Möglichkeit genommen wird, bei der Durchführung der Modelprojekte in den jeweiligen Bezirken mitzuwirken.

Aufgrund der restriktiven – „…die Erlaubnis nach Satz 1 darf nur in Ausnahmefällen…“- Erteilung der Erlaubnisse für Forschungsprojekte durch das Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, ist zu erwarten, dass nicht mehrere Modelprojekte in einem gewissen Raum genehmigt werden, um Ballungsgebiete zu vermeiden. Auch im Hinblick auf aussagekräftige diversifizierte -dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechenden- Forschungsergebnisse wäre es widersinnig eine Ballung von Modelprojekten zuzulassen.

Vor diesem Hintergrund wird es faktisch für die Bezirke nicht möglich sein, mehrere Modelprojekte im eigenen Bezirk zu dulden, bzw. zu genehmigen. Wobei sich hier auch die Frage stellt, ob es überhaupt neben der Erlaubnis der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung eine „Genehmigung“ durch die Bezirke bedarf. Die Rechtslage ist hier -aus unserer Perspektive- sehr unklar. Auch ist unklar, was die Forschungsziele der Modellprojekte sein sollen.

Wer bekommt Zugriff auf die erhobenen Daten und Auswertungen -welche dies auch immer sein mögen- und wem kommen diese (auch monetär) zugute. Hier wird sich der Rahmen (und auch die Notwendigkeit einer Ausschreibung) erst durch die Festlegungen und Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ergeben.

Wie vor diesem unklaren rechtlichen Hintergrund Absichtserklärungen von Öffentlichen Stellen abgegeben werden können erweckt nicht gerade Vertrauen. Zeugt dies doch von mangelnder Prüfung – in Berlin ein häufiger vorkommendes Phänomen- der Sach- und Rechtslage, durch die Exekutive.

Haben Sie Fragen zu dem KCanG, wenden Sie sich an eine Kanzlei mit langjähriger Erfahrung im Bereich medizinischem und rekreativem Cannabis, soweit das bei letzterem überhaupt gegeben sein kann.