Erstes verwaltungsrechtliches Urteil zu Allgemeinverfügungen zum Cannabis Verbot- hier auf dem Hessentag
Die Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichts sollte beachtet werden. Sie stellt Alkohol und Zigaretten mit Cannabis gleich und bestätigt eine Allgemeinverfügung, die den KOnsum von Cannabis allgemein auf dem Hessentag verbietet:
Leitsatz
1. Eine Allgemeinverfügung, die das öffentliche Konsumieren von Cannabis auf einer (auch) an Familien gerichteten Großveranstaltung – hier dem Hessentag 2024 – verbietet, ist rechtmäßig.
2. Da Cannabis, Alkohol und Zigaretten nicht vergleichbar sind, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17.05.2024 gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Fritzlar vom 12.05.2024 über das Verbot des öffentlichen Konsums von Cannabis im Veranstaltungsbereich des Hessentages 2024 anzuordnen,
bleibt ohne Erfolg.
Der Antragsteller richtet sich gegen das Verbot, öffentlich auf dem Hessentag Cannabis zu konsumieren und im Ergebnis auch gegen die Zwangsgeldandrohung. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie sind jedoch unbegründet. Sowohl die Untersagung des öffentlichen Konsumierens von Cannabis (I.) als auch die Androhung von Zwangsmitteln (II.) ist rechtmäßig.
I. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall VwGO nimmt das Gericht – wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem (formellen) Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügt – eine Abwägung vor zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug der getroffenen Regelung (dem sog. Vollzugsinteresse) und dem Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (dem sog. Aussetzungsinteresse). Diese Interessenabwägung richtet sich auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sachlage in erster Linie nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse am Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das öffentliche Interesse nur dann das private Interesse, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht. Kann keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten.
Nach diesen Grundsätzen bestehen im Fall des Antragstellers keine Anhaltspunkte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagung des öffentlichen Konsumierens von Cannabis wiederherzustellen.
1. Die Vollzugsanordnung genügt den Anforderungen von § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO.
Es handelt sich um ein formales, den Mindestinhalt der Begründung betreffendes Erfordernis, an das keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, weil es für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit keine Rolle spielt, ob die Argumente inhaltlich tragfähig sind (OVG NRW BeckRS 2018, 3173 Rn. 3). Die Begründung darf sich allerdings nicht auf eine bloße Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken oder lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen ohne jeden Bezug zum konkreten Fall enthalten. Ausgehend hiervon genügt die Vollzugsanordnung der Begründungsanforderung. Die Antragsgegnerin verweist zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf, dass das unter Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 12. Mai 2024 verfügte Verbot des öffentlichen Konsumierens von Cannabis aus „Gründen des öffentlichen Interesses“ geboten ist. Das öffentliche Interesse rechtfertige – wie sich aus dem Kontext der Allgemeinverfügung zweifelsfrei ergibt und auch der Antragsteller anerkennt (Bl. 3) – die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil mit Blick auf die vom Cannabiskonsum ausgehenden Risiken (Gesundheit, Kinder- und Jugendschutz) während des Hessentages eine „andauernde und besondere Gefahrenlage (vgl. Nr. 2 der Allgemeinverfügung) bestehe. Gerade im Gefahrenabwehrrecht sind geringere Anforderungen an eine Begründung zu stellen. Dies wird auch vom Antragsteller zum einen gar nicht angegriffen, zum anderen ist integraler Bestandteil die Begründung (Bl. 35), dass hier der Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz im Vordergrund steht. Weiter enthält die Begründung den konkreten Bezug auf den nur relativ kurzen Zeitraum von zehn Tagen, innerhalb dessen eine gerichtliche Entscheidung nicht zu erwarten ist, gleichzeitig aber ein hohes Gefahrenpotential für Leib und Leben beziehungsweise die Gesundheit besteht.
2. In materieller Hinsicht überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung vom 12.05.2024 das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung deren Vollziehung. Das materielle Überwiegen des öffentlichen Vollziehungsinteresses beruht darauf, dass nach dem Erkenntnisstand des Gerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Erfolgsaussichten des Antragsstellers in der Hauptsache bestehen.
a) Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 11 HSOG. Danach können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, soweit – wie hier – nicht die folgenden Vorschriften die Befugnisse der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden besonders regeln. Spezialvorschriften sind nicht ersichtlich, der Anwendungsbereich der Generalklausel ist eröffnet.
Formelle Mängel der Allgemeinverfügung sind nicht ersichtlich, insbesondere hat mit dem Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde die zuständige Behörde gehandelt.
b) Die Allgemeinverfügung ist voraussichtlich materiell rechtmäßig.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Konsumcannabisgesetz – KCanG – liegt vor.
Eine Gefahr kennzeichnet eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in überschaubarer Zukunft den Eintritt eines nicht unerheblichen Schadens zur Folge hat (BVerwG NVwZ 2018, 504 (506) Rn. 19). Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz von Individualrechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Ehre und Vermögen, die Unversehrtheit der gesamten Rechtsordnung sowie den Schutz des Staates und seiner Einrichtungen (HessVGH BeckRS 2020, 6459 Rn. 11; Baudewin, Öffentliche Ordnung im Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2023, Rn. 18).
Im Fall des Hessentages droht ein Verstoß gegen das Konsumverbot des § 5 Abs. 1 KCanG.
Nach § 5 Abs. 1 KCanG ist der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen verboten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Verstoß ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG ordnungsgeldbewehrt. Die Gesetzesbegründung definiert unmittelbare Gegenwart als „gleichzeitige, vorsätzliche enge körperliche Nähe der konsumierenden Person und einem oder mehreren Kindern oder Jugendlichen am gleichen Ort oder in unmittelbarer räumlichen Nähe zueinander zu verstehen, sodass eine konkrete Gefährdung der oder des Minderjährigen besteht“ (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 97). Dolus eventualis ist hierfür ausreichend. Das KCanG bringt sogar eine Verschärfung zur bisherigen Rechtslage. Der Umgang mit Cannabis ist nach § 2 KCanG umfassend verboten, lediglich der Konsum und Besitz wird unter bestimmten Umständen privilegiert, d.h. nicht unter Strafe gestellt. Insgesamt verfolgt der Gesetzgeber mit dem KCanG das ausdrückliche Ziel, Bürger, die kein Cannabis konsumieren, vor den direkten und indirekten Folgen des Cannabiskonsums zu schützen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 1).
Der vom Antragsteller ausdrücklich beabsichtige Konsum von Cannabis auf dem dort näher definierten „Gelände des Hessentages 2024“ in dem von der Allgemeinverfügung verbotenen Zeitraum begründet die Gefahr eines Verstoßes gegen das spezielle Konsumverbot des § 5 Abs. 1 KCanG.
Zwar behauptet der Antragsteller, es bedürfe keiner Allgemeinverfügung, weil das Verbot bereits in § 5 Abs. 1 KCanG niedergelegt sei. Das nimmt der Antragsgegnerin jedoch nicht die Möglichkeit, durch Allgemeinverfügung das Verbot zu konkretisieren und eröffnet ihr darüber hinaus die Möglichkeit, später mit Zwangsmitteln gegen Verstöße vorzugehen. Konsequenterweise hat sie dies zugleich in der Allgemeinverfügung angedroht.
Die Regelung des § 5 Abs. 1 KCanG wird auch nicht durch § 5 Abs. 2 KCanG wieder relativiert, da beide Vorschriften eine andere Schutzrichtung haben. Auch wenn der Gesetzesentwurf noch davon ausging, dass die Aufzählung der Orte in § 5 Abs. 2 KCanG abschließend sein soll (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 97), ist dies dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Vielmehr ist von einer exemplarischen Aufzählung auszugehen, da ansonsten die Gesetzgebungskompetenz des Bundes (nur Gesundheit- und Kinder-/Jugendschutz, nicht aber Gefahrenabwehr) überschritten wäre. Tatsächlich wollte der Bundesgesetzgeber die Kompetenzen der Länder auch gar nicht beschneiden, hat ihnen vielmehr weitgehend die Umsetzung der bundesgesetzlichen Regelungen überantwortet, insbesondere im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz (vgl. § 7 KCanG sowie Plenarprotokoll Bundesrat vom 29.09.2023 – 1036. Sitzung, S. 298, Erklärung Ministerin Dr. Sütterlein-Waack, Schleswig-Holstein).
Dies muss hier aber letztlich nicht entschieden werden, da § 5 Abs. 1 und Abs. 2 KCanG unabhängig voneinander stehen. Während in Abs. 2 der öffentliche Konsum in den aufgezählten Orten per se verboten ist (unwiderlegliche Vermutung, dass sich abstrakte Gefahr verwirklicht, weshalb Begründungserfordernis entfallen kann), verbietet Abs. 1 jeglichen (d.h. auch den nichtöffentlichen) Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen. Der Behörde bleibt es unbenommen, bei besonderen Gefahrenlagen an die Vorschrift des § 5 Abs. 1 KCanG anzuknüpfen. Insgesamt ist es Intention des Gesetzgebers, den Konsum da zu verbieten, wo Kinder und Jugendliche regelmäßig anzutreffen sind. Dies ist exemplarisch und explizit die Begründung für das Verbot des Konsums von Cannabis in Fußgängerzonen (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 98). Wenn aber nach dem Willen des Gesetzgebers bereits in Fußgängerzonen wegen der schlechten Vorbildwirkung für Minderjährige der Konsum von Cannabis verboten ist, muss dies erst Recht auf stark besuchten Volksfesten wie dem Hessentag gelten. Dort befinden sich Erwachsene unvermeidbar in unmittelbarer Nähe zu Kindern und Jugendlichen. Auch könnte der von § 5 Abs. 2 KCanG vorgesehene Sichtabstand (100 Meter) auf dem Hessentagsgelände nicht eingehalten werden. Bereits die Veranstaltungsfläche „Historische Altstadt“ hat lediglich eine Gesamtausdehnung in Nord-Süd-Richtung von etwa 500m, die Veranstaltungsfläche „Ederaue“ in Ost-West-Richtung ebenfalls. Der Hessentag ist eine Familienveranstaltung, in der gerade auch Aktionen für Kinder und Jugendliche angeboten werden, und das nicht nur am Wochenende. Er richtet sich etwa auch an Schulklassen und Berufsschulen.
Der Antragsteller ist als potentieller hessentagsbesuchender Kiffer auch Störer i.S.d. § 6 Abs. 1 HSOG.
Ermessensfehler sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, § 5 HSOG. Es liegt weder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG (unter c) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (unter d) vor.
c) Zwar greift die Allgemeinverfügung in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein, doch ist der Eingriff gerechtfertigt, da er verhältnismäßig i.S.d. § 4 HSOG ist.
Die Allgemeinverfügung ist geeignet, das Ziel des Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutzes zu erreichen. Ist das öffentliche Konsumieren von Cannabis auf dem Hessentag 2024 verboten, können insoweit keine Gesundheitsgefahren insbesondere für Kinder und Jugendliche eintreten. Zudem kann das Ziel des KCanG nicht erreicht werden, wenn das Konsumverbot aus § 5 KCanG auf dem Hessentag missachtet werden könnte, ohne dass – angesichts der zu erwartenden hohen Anzahl an Menschen (erwartet werden 400.000 Menschen) – eine sachgerechte Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten und damit eine zeitnahe wirksame Sanktion gewährleistet werden könnte.
Die Allgemeinverfügung ist auch erforderlich. Es ist kein milderes Mittel ersichtlich, das die Gefahr genauso gut beseitigen könnte. Insbesondere stellt das Einrichten sog. Kifferzonen kein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel dar. Würden sie eingerichtet, müssten sie kenntlich gemacht und das Gelände mit Wegweisern versehen werden. Dies würde einen Anreiz für Kinder und Jugendliche schaffen, der zu verhindern ist. Auch bekäme man solche Kifferzonen nicht in ausreichendem Maß blick-, rauch- und ggf. geruchsdicht gehalten. Nach Auffassung des Gesetzgebers führt bereits das Sehen des Kiffens zu einem Anreiz bei Jugendlichen, den es zu vermeiden gilt. Zudem würde es in den Kern und Charakter des Hessentags eingreifen und ihn in seinem Wesen verändern. Die Antragsgegnerin müsste auf eine von ihr so konzipierte Familienveranstaltung verzichten, was ihr nicht zugemutet werden kann. Bei Beachtung der Sichtweite (100 Meter-Abstand für Kinder und Jugendliche) würde der Hessentag unzumutbar beeinträchtigt. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch darauf, dass für sein Bedürfnis auf dem Hessentag Cannabis zu konsumieren, das Gepräge des Hessentages als Familienveranstaltung beeinträchtigt wird.
Entsprechend geht auch das Argument des Antragstellers ins Leere, es solle nur das Rauchen verboten werden, weil dies aufgrund des Passivinhalierens eine Gefahr für Minderjährige darstelle. Dies ist ein, aber aus den o.g. Gründen eben nicht das einzige Argument für ein Verbot im öffentlichen Raum. Es soll jeder Anreiz genommen werden. Zudem trifft das Gesetz selbst eine solche Unterscheidung nicht, sondern zielt allgemein darauf ab, dass das KCanG „nicht zu einem steigenden Konsum von Cannabis beitragen soll“ (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 98). Wenn aber bereits das Gesetz alle Konsumarten erfasst und eine Unterscheidung nach der Konsumform gerade nicht trifft, ist dies der Antragsgegnerin erst recht versagt oder kann ihr jedenfalls nicht aufgegeben werden, hiernach zu unterscheiden.
Zuletzt ist das Verbot auch angemessen, denn es steht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck.
Die Allgemeinverfügung will Verstöße gegen § 5 Abs. 1 KCanG und Gefahren für den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen, auch durch falsche Anreizwirkungen, entgegentreten. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entscheiden, Cannabis nur in sehr begrenztem Umfang und nur für Erwachsene freizugeben, aber keine Anreize zur Ausweitung des Cannabiskonsums zu schaffen (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 69). Insbesondere für Kinder und Jugendliche sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Konsumanreize weitestgehend vermeiden werden (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 97).
In Anbetracht der Hochwertigkeit dieser Schutzgüter (u.a. Art. 2 Abs. 2 GG) muss das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Antragstellers zurücktreten, auf dem Hessentag Cannabis zu konsumieren. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ist nämlich sehr niedrigschwellig. Denn der Antragsteller darf in den Grenzen des KCanG an allen Orten außer dem Hessentag Cannabis konsumieren und dies auch auf 365 Tage bezogen nur für die Dauer von 10 Tagen (24.05.-02.06.2024) und begrenzt auf 12 Stunden am Tag (10:00-22:00 Uhr) nicht.
d) Entgegen der Auffassung des Antragstellers fehlt es auch an einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und verbietet ihm ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (BVerfG NVwZ 2019, 152 (154) Rn. 17). Dabei ist zu prüfen, ob eine mögliche Ungleichbehandlung „sachlich vertretbar oder sachfremd“ (BVerfG NJW 2023, 3072 (3080) Rn. 102) ist. Zwar macht der Antragsteller geltend, er werde ungleich behandelt zu Alkohol- und Zigarettenkonsumenten. Dies verstößt jedoch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn beide sind nicht vergleichbar mit Cannabis. Gesetzgeber und Behörde haben ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
Auf dem Hessentag findet eine kontrollierte Abgabe von Alkohol statt. Sie wird ausgegeben von Wirten, die eine Schanklizenz besitzen und behördlichen Kontrollen unterliegen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu Cannabis, bei dem keine Kontrollen stattfinden und keiner weiß, woher die Droge stammt und welche Qualität sie hat. Auch war dem Gesetzgeber bewusst, dass, solange noch kein Cannabis in Deutschland unter der strengen Kontrolle deutscher Behörden angebaut und vertrieben wird (z.B. in Anbauvereinigungen), Cannabis weitgehend vom Schwarzmarkt bezogen wird, was wiederum mit einem noch einmal deutlich erhöhten Gesundheitsrisiko und Risiken für den Kinder- und Jugendschutz verbunden ist (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 20/8704, S. 68; 70; 72). Der Gesetzgeber war es auch, der die Unterscheidung getroffen hat, den Umgang mit Cannabis nach § 2 KCanG umfassend zu verbieten, den Konsum von Zigaretten und Alkohol aber straf- und sanktionsfrei zu lassen. Umgekehrt hätte es der Antragsgegnerin auch freigestanden, diese auf dem Hessentag zu verbieten, um Gesundheitsgefahren für Kinder und Jugendliche abzuwehren. Dass die Entscheidung gegen ein Alkohol- und Zigarettenverbot rechtsfehlerhaft ergangen ist, ist nicht dargetan. Unabhängig davongewährt Art. 3 Abs. 1 GG auch keine „Gleichheit im Unrecht“ (BAG, Urt. v. 08.05.2019, 10 AZR 559/17 – juris Rn. 55; HessVGH, Beschl. v. 24.03.2020, 1 A 2370/17). Auch das BVerfG hat entschieden, dass der Umgang mit Drogen nicht zum unbeschränkbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört und entsprechend bei einem sogar strafbewehrten Cannabisverbot keine Ungleichbehandlung gegenüber Alkohol und Zigaretten gesehen (BVerfG NJW 2023, 3072 (3076, 3080 f.) Rn. 65, 100 ff.). Es führt u.a. aus: „Ausgehend von diesen Maßstäben hat es das BVerfG als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, im Sachbereich des Betäubungsmittelstrafrechts anzunehmen, dass für die unterschiedliche Regelung des Umgangs mit Cannabisprodukten einerseits und mit Alkohol und Nikotin andererseits Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorhanden sind, die die unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Betroffenen rechtfertigen. Unter anderem hat der Senat darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden könne“ (BVerfG NJW 2023, 3072 (3081) Rn. 102). Nach BVerfG (NJW 2005, 349 (350)) und BVerwG (Urt. v. 11.4.2019, 3 C 25.17, BeckRS 2019, 19967 Rn. 35) ist zudem anerkannt, dass wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotenzials für die Verkehrssicherheit und der unterschiedlichen Wirkungsweise eine Ungleichbehandlung von Alkohol- und Cannabiskonsum im Fahrerlaubnisrecht nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. So heißt es im Beschluss des BVerfG etwa: „Da Rauschmittel wie Cannabis unstreitig geeignet seien, das sichere Führen von Kraftfahrzeugen zu beeinträchtigen, und die Zahl drogenpositiver Kraftfahrer weiter steige, habe der Gesetzgeber mit der von ihm als tauglich eingeschätzten Nullwertregelung der Gefahr begegnen können. Diese Einschätzung wird durch die Stellungnahme des Generalbundesanwalts bestätigt, der ergänzend darauf hinweist, dass sich der Anteil von Drogenfahrten bei Verkehrsunfällen im Verhältnis zu Alkoholfahrten seit Beginn der 90er Jahre deutlich erhöht hat. Diese Gesichtspunkte, vor allem der Umstand, dass sich bei einzelnen Drogen anders als beim Alkohol die Dosiswirkungsbeziehung derzeit nicht quantifizieren lässt, sind so gewichtig, dass sie die unterschiedliche Regelung sachlich zu rechtfertigen vermögen“. Dies ist auch medizinisch anerkannt (siehe nur Steiner, in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 3 GG Rn. 3: „Der Gesetzgeber kann ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol und Nikotin andererseits unterschiedlich regeln“).
Auch die ausdrücklich vom Gesetzgeber aufgenommene Entscheidung, nur den Konsum von Cannabis in Anwesenheit Minderjähriger – selbst im privaten Bereich (!) – zu verbieten (§ 5 Abs. 1 KCanG), aber keine vergleichbare Regelung für Alkohol und Nikotin zu treffen, lässt deutlich werden, dass Cannabis, Alkohol und Nikotin gerade nicht vergleichbar sind. Jedenfalls stellt die gesetzgeberische Wertung einen wesentlichen Unterschied dar, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, wenn nicht sogar gebietet. Selbst wenn man also eine Vergleichbarkeit der Rauschmittel sehen wollte, ist diese von der Antragsgegnerin vorgenommene Ungleichbehandlung „sachlich vertretbar“ und damit gerechtfertigt.
3. Die Vollziehung der Verfügung erweist sich auch nach Auffassung des Gerichts aus den o.g. Gründen als eilbedürftig, weil der ansonsten eintretende Suspensiveffekt den effektiven Schutz der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen auf dem Hessentagsgelände unmöglich machte.
II. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung richtet sich der einstweilige Rechtsschutz wegen § 16 HessAGVwGO nach § 80 Abs. 5 S. 1, Alt. 1 VwGO. Die Zwangsgeldandrohung begegnet jedoch ebenfalls keine Bedenken. Insbesondere die Höhe von 150 € ist nicht zu beanstanden. Sie wird vom Antragsteller auch gar nicht substantiiert angegriffen. Die Bußgeldandrohung hat keinen eigenständigen Regelungscharakter, sie ist ein bloßer Verweis auf die Rechtslage (§ 36 KCanG).
III. Der unterlegene Antragsteller trägt die Verfahrenskosten, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 35.1 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache hat die Kammer den Streitwert trotz des Eilverfahrens nicht um die Hälfte gekürzt. Die Zwangsgeldandrohung bleibt bei der Festsetzung unberücksichtigt, vgl. Nr. 1.7.2 Streitwertkatalog.
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