Fotorecht: Urteil des OLG Hamm vom 17.11.2015, Az.: 4 U 34/15
Leitsätze des Gerichts:
- Zur Bestimmung des Umfangs eines Nutzungsrechts nach dem Übertragungszweckgedanken.
- Zur Schadensersatzberechnung nach der sog. Lizenzanalogie und zur Ermittlung einer angemessenen Lizenzgebühr im Falle einer Folgelizensierung an Vertriebspartner des Auftraggebers sowie zur Ermittlung eines Aufschlages für einen unterlassenen Urhebervermerk.
Sachverhalt:
Ein sehr erfolgreicher Fotograf wurde mit der Erstellung von Modefotos beauftragt. Der Auftraggebber nutzte diese Fotos für einen Katalog von Bademoden und gab den Fotografen ordnungsgemäß in seinem Impressum an.
Der Auftraggeber gab nach Unstimmigkeiten die Fotos an den Beklagten weiter, der sie für seine Webseite verwendete. Auf dieser wurden die Waren des Auftraggebers beworden.
Der Fotograf vertrat nun, er habe der Auftraggeberin nur einfache Nutzungsrechte eingeräumt so dass diese die Fotos nicht weitergeben dürfe. Seine AGB lägen jedem Auftrag bei; diese würden gerade nur eine einfache Nutzung erlauben.
Er verlangte somit von der Beklagten:
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.910,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2012, hilfsweise ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte V, in Höhe von 1.752,90 Euro freizuhalten.
Das Gericht meinte nun folgendes:
“Die Beklagte handelte hierbei widerrechtlich.
Denn die Nebenintervenientin [die Auftraggeberin] hatte der Beklagten zuvor ihrerseits mangels eigener Berechtigung keine entsprechenden Nutzungsrechte einräumen können.
Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger der Nebenintervenientin von vorneherein ein umfassendes, ausschließliches Nutzungsrecht an den betreffenden Fotos eingeräumt, oder ihr die Zustimmung zur Übertragung entsprechender Nutzungsrechte an ihre Vertriebspartner erteilt hatte.
Eine ausdrückliche Vereinbarung über den konkreten Umfang der Einräumung von Nutzungsrechten an den von der Nebenintervenientin bei dem Kläger in Auftrag gegebenen und von diesem im Mai 2011 erstellten Fotografien, insbesondere eine solche über die Übertragung von Nutzungsrechten an Vertriebspartner der Nebenintervenientin, ist unstreitig nicht getroffen worden. Der Kläger hat der Nebenintervenientin auch keine Zustimmung zur Weitergabe der Fotografien in digitaler Form erteilt – und der Wortlaut der E-Mail der Mitarbeiterin U der Nebenintervenientin vom 09.11.2011 (Anlage K21 – Bl 311 d.A.) und des Schreibens der Nebenintervenientin vom 15.11.2011 (Anlage K23 – Bl 313 d.A.) bestätigt dies.
Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus dem Gedanken des § 31 Abs. 5 UrhG.Danach bestimmt sich der Umfang des Nutzungsrechts nach dem mit seiner Einräumung verfolgten Zweck. Das heißt, die Einräumung von Nutzungsrechten erfolgt jedenfalls, aber auch nur – und insoweit erfolgt die Bestimmung des Umfangs der Rechtseinräumung entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin zu Lasten des Verwerters durchaus eher restriktiv – in dem Umfang, den der mit dem Vertrag verfolgte Zweck „unbedingt“ erfordert. Durch den Übertragungszweckgedanken soll eine „übermäßige“ Vergabe von Nutzungsrechten durch umfassende, pauschale Rechtseinräumungen an die Verwerterseite dadurch verhindert werden, dass der Umfang an den konkret verfolgten Zweck des Vertrages angepasst wird. Wegen der urheberschützenden Funktion bestimmt sich der Vertragszweck aus der Sicht des Urhebers. Zweifel, ob ein gemeinsam verfolgter Zweck ermittelt werden kann, gehen zu Lasten des Verwenders (zum Vorstehenden u.a. Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 31 UrhG Rn. 109, 128; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhG, 4. Aufl. § 31 Rn. 39/40). Denn gerade in dem Zweckübertragungsgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG kommt der von der Rechtsprechung geprägte Grundsatz zum Ausdruck (Axel Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., Einl. UrhG Rn. 22), dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgen seines Werkes beteiligt bleibt (BGH GRUR 2002, 248, 251 – Spiegel-CD-ROM).
Für den Kläger gilt insoweit kein anderer Maßstab, auch wenn er aufgrund seines Berufes im Gegensatz zur Nebenintervenientin über ein vergleichsweise fundiertes Wissen zum Urheberrecht verfügen sollte. Denn allein dies macht ihn nicht weniger schutzwürdig. Vielmehr ist er wie jeder andere Urheber darauf angewiesen, an dem wirtschaftlichen Nutzen beteiligt zu werden, der aus seinem Werk gezogen wird.”.
Im Ergebnis erwarb die Beklagte keine Nutzungsrechte, da die Auftraggeberin keinen entsprechenden Vertrag geschlossen hatte. Dieses richtige Ergebnis hätte sich unter Anwendung einfacher Beweislastregeln finden lassen können, da die Beklagte einen Lizenzvertrag hätte beweisen müssen.
Grundsätzliche hätte es nun zu einer Verurteilung auf der Grundlage der MFM Honorartabelle kommen müssen. Das Gericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass die “Honorarempfehlungen sind für die hier in Rede stehende Folgelizensierung von Nutzungsrechten an Werbefotografien aus einer reinen Auftragsarbeit, und zwar an einen Vertriebspartner des Auftraggebers nicht anwendbar.” sind.
Das Gericht kommt nun zu dem Ergebnis, dass “sich die angemessene Lizenzgebühr an der Vergütung orientieren, die die eigentlichen Vertragsparteien, mithin der Kläger und die Nebenintervenientin für die Verwendung der Fotografien (Homepage, Hauskatalog, Poster, Pressearbeit) veranschlagt hatten. Der objektive Wert der Nutzungsberechtigung für die Beklagte ging nämlich entgegen der Ansicht des Klägers nicht hierüber hinaus.
Die vertraglich vereinbarte Vergütung lag für das hier in Rede stehende Doppelshooting unstreitig bei 37.022,00 € für 6.030 Bilder, mithin bei 6,14 € pro Foto. Die Nebenintervenientin ging jedenfalls schon in der Klageerwiderung, und zwar insoweit unwidersprochen von einem ursprünglich vereinbarten Honorar von 6,14 € pro Bild und einem im Rahmen der Gespräche Ende 2011/Anfang 2012 kalkulierten weiteren Betrag von 0,66 € pro Bild für die nachträgliche Gestattung der Drittnutzung aus. Dem entspricht das vorgerichtliche anwaltliche Schreiben des Klägers vom 31.01.2012, in dem dieser selbst auf Seite 2 unten argumentiert (Anlage N12), dass sich die Kosten nach der beabsichtigten Einigung auf nun insgesamt 6,80 € pro Foto, und zwar inklusive der Abgeltung für die ungenehmigte Nutzung belaufen würden.
Zwar muss hierbei einerseits berücksichtigt werden, dass die Verhandlungsposition des Fotografen zur Honorarhöhe gegenüber einem marktstarken Unternehmen wie der Nebenintervenientin schon angesichts der Aussicht auf lukrative Folgeaufträge im Allgemeinen vergleichsweise schwächer ist als gegenüber einem Einzelhändler.
Jedoch entfiel andererseits ohnehin nicht der gesamte Betrag allein auf die Einräumung der Nutzungsrechte an den Fotografien. Vielmehr wurde mit diesem Honorar auch der technische und administrative Aufwand des Klägers abgegolten.
Der Verwendung der Bilder durch die Beklagte kam sodann schon aufgrund der vorherigen (Erst-)Verwertung durch die Nebenintervenientin ein nur eingeschränkter objektiver Nutzen zu. Zudem hielt sich der wirtschaftliche Wert der auf allenfalls elf Monate begrenzten Einbindung der Fotos auf der Homepage des im Verhältnis zur Nebenintervenientin kleinen ortsansässigen Unternehmens der Beklagten mit einem entsprechend begrenzten Kundenkreis in Grenzen.”
Ein überaus fragwürdiges Ergebnis, das die Anwendung der MFM Honorartabelle weiter einschränkt.
Das Urteil finden Sie hier.
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